Herzflüstereien – Daniela Hofbauer

Es geht nie um das, was um uns herum passiert

Tag 1 – 30.01.2022 – Gran Canaria

Noch immer liegt ein diffuser Schleier über der Insel. Ein Sandsturm aus der Sahara hüllt seit 2 Wochen die Kanaren in Nebel.
Es ist eine seltsame Stimmung, die mich bereits gestern bei meiner Ankunft am Flughafen erwartet hat. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Es fühlt sich an wie in einer Zwischenwelt, in der man zwar wach ist, aber die Augen einfach noch nicht aufmachen möchte.

Irgendwo dahinten liegt das Meer – der gewaltige Atlantik, der sich unbeeindruckt von den Himmelsgeschehnissen mit leichten Wellen auf die Insel wirft. Er lebt seine Bestimmung.

Ähnlich diffus ist meine Stimmung seit meiner Ankunft. Kopfschmerzen und eine Stimme im Hinterkopf, die mich ermahnt, mich doch jetzt endlich mal unbändig zu freuen. Was auch immer sie möchte, wie ich meine Freude zum Ausdruck bringen sollte. Sie müsste doch wissen, dass ein Kommando zur Freude diese doch nur im Keim ersticken kann.
Ein Teil von mir verbindet Freude mit ausgelassenem, lautem Lachen, Tanzen und Hüpfen.

Ich erinnere mich an einen Diskoabend mit einer Freundin. Sie war von ihrer Art her immer sehr ausgelassen und fröhlich. Ich beneidete sie dafür, weil ich selbst viel zu sehr damit beschäftigt war, gut nach außen zu wirken. Und damit, mich nicht gut genug zu fühlen.
Und naja, auch knapp 25 Jahre später noch kann ich nicht behaupten, dass das für mich ein komplett alter Hut ist. Und ich behaupte mal, das ist doch für viele von uns noch immer ein Thema, egal wie viel wir schon an uns gearbeitet haben. Der Unterschied ist heute zumindest, dass ich es mir eingestehe und nicht mehr versuche, mich zu verbiegen.

Der Sandsturm spiegelt auf gewisse Art mein Inneres. Wie spannend!

Wenn wir nicht verdrängen was gerade ist, kann sich entfalten, was hinter dem Schleier vor unserem Augen an wertvollen Erkenntnissen verborgen liegt. Hör gut zu …

Es geht nie darum, was gerade um Dich herum ist.
Es geht immer immer immer nur darum, wie Du damit umgehst. 

Wie Du Verantwortung übernimmst und bestmöglichst für Dich sorgst. Es ist eine Illusion, irgendwann mal irgendwo anzukommen oder irgendein Ziel zu erreichen. Heute findet das Leben statt mit allem, was gerade um Dich herum passiert. 

Manchmal sind es wunderschöne Erlebnisse. Manchmal aber läuft es nicht so rund und es fühlt sich unangenehm oder falsch an. 

Aber ist es wirklich falsch, was Du als ‘falsch’ bewertest?
Hast nicht Du selbst irgendwann Entscheidungen getroffen, die Dich genau heute hierher geführt haben.
Ich habe die Entscheidung getroffen, heute hier in Gran Canaria zu sein, an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt.

Wir können uns nicht einfach die Rosinen aus unserem Leben rauspicken und das Unangenehme von uns wegschieben. 
Wir können uns nicht auf die Schulter klopfen und uns loben, wenn uns etwas gut gelungen ist, für vermeintlich unliebsame Situationen jedoch jemand oder etwas anderes dafür verantwortlich machen. 

Es gibt hier – am ersten Tag meiner Reise – ein paar Dinge, die mir nicht gefallen.
Und die machten mir heute morgen ein wirklich ungutes Gefühl. Je länger ich meinen Kopf darüber nachdenken ließ, umso schlimmer wurde es. Eine Ohnmacht und Schwere breitet sich aus. Ausgeliefert und hilflos lag ich im Bett und wollte nicht aufstehen.

In meiner Casita gibt es keine Heizung. Drinnen ist es unangenehm kalt. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit sollen zudem immer die Fenster offen bleiben. Ich frage mich gerade, ob ich zuhause meine Wohnung überheizt hatte.

Mein Kopf ratterte: „Määäh, ich will nach Hause.“ 

Der Körper aber weiß, zuhause ändert sich nicht, was gerade hier in mir passiert. Ich darf ein paar Erwartungen einfach mal loslassen und das wertschätzen, was ist. Ich kenne diese inneren Prozesse sehr gut. Vor allem aus Beziehungen, die sich nicht gut angefühlt haben. Wie ein Fluchtinstinkt, der mich zurück in eine vermeintlich sichere Höhle bringen will. 

Ein ‚weg von dem, was ist‘. Aber wohin sollte ich statt dessen? Früher sah ich keine Alternativen. Die Höhle war immer meine eigene Wahl gewesen. Ich bin freiwillig hinein gegangen, obwohl es dort dunkel, schwer und leblos war. Ich glaubte immer, ich „kann nicht anders“ und sah die Alternativen nicht.

„Ich kann nicht anders“ leugnet die Verantwortung für unser Leben. Heute weiß ich, dass ich in jeder Situation eine Vielzahl von Möglichkeiten habe, mein Leben zu meinem Besten zu gestalten. 
Natürlich lassen sich manche Dinge nicht immer von jetzt auf gleich komplett verändern.  Vor allem nicht so, wie der Kopf es haben will.

Ich kann ja schließlich das Klima nicht nicht anders machen. Aber ich kann mir überlegen, was ich brauche, um mich besser zu fühlen. Mit dem, was möglich ist. So gestalte ich mein Leben.
Ich erlaube mir, Dinge auszuprobieren, ohne gleich die perfekte Lösung haben zu müssen. Ich erlaube mir, meinen Kopf auszuschalten, der mich in die Höhle hineinquatschen will.

Der Gute, er agiert ohne böse Absicht. Er will mich beschützen und hat einfach nichts anderes gelernt. Aber wir sind nicht unser Verstand.

Jetzt sitze ich erst einmal draußen und lasse die Sonne auf meinen Nacken scheinen. Ich genieße die Ruhe um mich herum. Den Blick ins Tal und auf die Palmen. 
In der Ferne das Bellen von Hunden, Vogelgezwitscher, das Krähen eines Hahnes, das Wiehern eines Esels.
Es fühlt sich gut an, das niederzuschreiben, wie es ist. Wahrhaftig. Ohne gefaktes ‚Super-super-Happy- Life-Gedöns‘.
Und ohne den alten ‚Alle-beneiden-Dich-grad-und-Dir-taugt-wieder-was-nicht’-Selbstverurteilungs-Sumpf‘.

Ich nehme an, was ist und wer ich bin. Weil ich weiß, dass ich die Schöpferin meines Lebens bin. 

Und eine Entscheidung habe ich bereits getroffen – die für Sonne und Meer statt Höhle und Dunkelheit.
Auch wenn gerade noch etwas Sand in der Luft liegt, bin ich zufrieden.

Und mittlerweile hab ich von meinen Vermieter auch einen Heizlüfter bekommen. Wer nicht fragt, der nicht gewinnt. 💥 😏

Much L❤︎ve
Daniela

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